Die Kirche zu Untersotzbach

(Peter Kauck)

Die Kirche zu Untersotzbach ist der Mittelpunkt der Kirchengemeinde Sotzbach, welche seit alters her von den Dörfern Obersotzbach und Untersotzbach gebildet wird und Filiale von Unterreichenbach ist. Das Kirchspiel Reichenbach besteht heute aus den sechs Orten Unterreichenbach, Oberreichenbach, Untersotzbach, Obersotzbach, Fischborn und preußisch Radmühl.

Die Ersterwähnung.

Ein Einkünfte-und Kompetenzverzeichnis des Pfarrers von Unterreichenbach aus dem Jahre 1488enthält die älteste schriftliche Erwähnung der Untersotzba­cher Kirche. Sie wird dort als „nova ecclesia“ –die neue Kirche– bezeichnet, die über drei Altäre verfügte, wo vordem in der „antiqua ecclesia“ –in der alten Kir­che–, nur ein Altar vorhanden war. Jeden Samstag fand in der neuen Kirche, die dem Heiligen Rochus geweiht war2, eine gestiftete Messe statt.

Verfaßt wurde dieses Register von dem Pastor Philipp von Weilnau, der die Un­terreichenbacher Pfarrstelle von 1480 bis 1499 innehatte.

Das Patrozinium.

Zu damaliger Zeit hatte jede Kirche ihren Schutzheiligen, sie war also einem Heiligen geweiht, was mit dem lateinischen Wort „Patrozinium“ bezeichnet wird. Das Wissen um dieses Patrozinium geriet aber nach der Reformation, be­sonders nach Einführung der reformierten Lehre, in Vergessenheit. Im Jahre 1901 mußte denn auch Dr. Ludwig Bickell bei der Beschreibung der Untersotz­bacher Kirche eingestehen: „Der alte Titel der Kirche ist nicht zu ermitteln ge-wesen.“Aber manchmal hilft der Zufall weiter: In der hessischen Landesbiblio­thek Darmstadt fanden sich zwei Bücher aus der Frühzeit des Buchdrucks mit handschriftlichen Eintragungen des Unterreichenbacher Pfarrers Johannes Hapff (1502 – 1508). Bei diesen Aufzeichnungen in Gedichtform erscheint das Ro-chus-Patrozinium zu Sotzbach4, und so konnte der Kirchenhistoriker Josef Leinweber aus Fulda bei der Filialkirche zu Sotzbach in 1992 mitteilen: „Die neue Kirche war dem hl. Rochus geweiht.“Der Namenstag des Heiligen Ro­chus von Montpellier war der 16. August.Seine Verehrung wurde vom Kon­stanzer Konzil (1414-18) gutgeheißen.Links über der Eingangstür dürfen wir die Nische für das Bildnis des Namens­heiligen der „neuen Kirche“ vermuten. Während der Reformation wurde das Heiligenbildnis entfernt und die Nische zugemauert.

Die Reformation

Die Gedanken der Reformation hatten im Kirchspiel Reichenbach schon früh Fuß gefaßt. Der Unterreichenbacher Pfarrer Johannes Henkel (~1526-1550) griff die Vorstellungen der Reformation auf. Um das Jahr 1530 war er in den Ehe­stand getreten und ab Weihnachten 1538 teilte er das Abendmahl in beiderlei Gestalt aus. Spätestens seit der Regierungsübernahme des jungen Grafen Rein­hard zu Isenburg 1542 begann die Obrigkeit, die Sache steuernd in die Hand zu nehmen. Der protestantische Pfarrer Johann Sanßdorf wurde 1544 als Hofpredi­ger der Grafenfamilie nach Birstein berufen und seine Aufgabe war es, eine evangelische Kirchenordnung auszuarbeiten, womit die Reformation lutheri­scher Prägung im ganzen Isenburger Land Eingang fand. Reinhards Neffe, Graf Wolfgang Ernst zu Isenburg, begann dann gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit der zweiten Reformation, indem er die Reformierte Konfession nach den Lehren Calvins und Zwinglis in der ganzen Grafschaft und damit auch im Kirchspiel Unterreichenbach einführte.

Das Kirchengebäude.

Das Mauerwerk besteht aus Vogelsberger Basalt, während für die Tür-und Fen­sterrahmen und für die Eckquader Sandstein Verwendung fand. Wahrscheinlich waren die Außenwände von Anfang an unverputzt, und so erfreut sich das Auge auch heute noch an dem schön gemusterten Natursteinmauerwerk, in bautechni­scher Hinsicht sei hierbei besonders auf die Entlastungsbögen über Türen und Fenstern hingewiesen. Einige bauliche Stilelemente lassen noch die ursprünglich gotische Bauweise erahnen. Die Eingangstür und die in den 1960er Jahren zugemauerte kleine Tür zum Kirchhof hin sind noch der Gotik zuzuordnen. Im Mittelalter führte die Sei­tentür vielleicht in eine hier angebaute kleine Sakristei. Geht man um die Kirche herum, so findet man an der Rückseite des Chorraumes ein von der Straße aus nicht zu sehendes kleines Fenster in gotischem Kleeblattmaßwerk. Und wo ein­mal durch schmale, hohe gotische Maßwerkfenster nur wenig Licht in den In­nenraum drang, haben uns die Instandsetzungs-und Umbaumaßnahmen der Zeit um 1790 die großen, viereckigen Fenster hinterlassen. Der Kirchturm, dessen Höhe bis zur Spitze des Kreuzes, ohne den Hahn 22,16 m beträgt, ist auf das Dach aufgesetzt und ruht auf einer im Kirchenschiff stehen­den Säule. Seit Jahren dient der Kirchturm Schleiereule und Turmfalke als Nist­platz.

Die Kirchenglocken.8

Die ältesten Überlieferungen über die Glocken stammen aus dem 19. Jahrhun­dert. Damals gab es 3 Bronzeglocken. Die große Glocke wurde 1874 von Ph. Bach in Windecken gegossen, die mittlere und die kleine Glocke stammten aus der Glockengießerei Johannes und Andreas Schneidewind in Frankfurt, anno 1735. Im 1. Weltkrieg wurden die große Glocke von 1875 und die kleine Glocke von 1735 beschlagnahmt, die mittlere durfte behalten werden. 1922 wurden zwei neue Bronzeglocken von der Firma Rinker in Sinn geliefert. Im 2. Welt­krieg wurden die zwei großen Glocken wiederum beschlagnahmt, jetzt auch die alte Glocke von 1735, außerdem war die verbliebene kleine Glocke gegen Kriegsende gesprungen und konnte nicht mehr geläutet werden. Sie wurde 1946 eingeschmolzen und von Rinker in Sinn neu gegossen. 1953 wurden bei der Firma Schilling in Heidelberg drei neue Bronzeglocken gekauft, welche von den Spenden der Gemeindemitglieder finanziert werden konnten. Die große Glocke mit einem Gewicht von 260 kg ist auf den Ton c’’ abgestimmt und trägt die In­schrift „Glaube“, die zweite Glocke mit einem Gewicht von 180 kg ist auf den Ton d’’ abgestimmt und trägt die Inschrift „Liebe“ und die dritte Glocke ist auf den Ton f’’ abgestimmt und trägt die Inschrift „Hoffnung“. Die kleine Glocke hat nach dem Umguß den Ton a’’ erhalten.

Der Innenraum.

Ludwig Bickell, der erste Denkmalpfleger in Hessen, der die Untersotzbacher Kirche um 1898 gesehen hat, beschrieb die Bilder des Innenraumes in folgender Weise: „Die Emporen sind auf den großen Feldern der Brüstung abwechselnd mit biblischen Scenen in naivster aber interessanter Weise durch den Weißbin­der Matthes aus Fischborn 1811 bemalt.Ob nun der Weißbinder Matthes aus Fischborn der Maler war, wie es die von ihm angebrachte Inschrift vermuten lassen mag, kann hier nicht beantwortet werden. Erstaunen hervorrufen wird aber die Tatsache der Bemalung an sich, wenn man bedenkt, daß die Kirchengemeinde etwa seit Beginn des 17. Jahrhun­derts dem Reformierten Bekenntnis angehörte, welches keine Bilder in den Kir­chen duldete. Selbst die 98. Frage des Heidelberger Katechismus: „Mögen aber nicht die Bilder, als der Laien Bücher, in den Kirchen geduldet werden?“ wird mit einem klaren „Nein“ beantwortet, „denn wir sollen nicht weiser sein als Gott, welcher seine Christenheit nicht durch stumme Götzen, sondern durch die lebendige Predigt seines Wortes will unterwiesen haben.“ Was aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts undenkbar war, scheint um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert keine Probleme mehr bereitet zu haben.

Wer der Maler auch war, er hat eben nicht nur fromme Dekoration angebracht. Die Themenauswahl der 22 Bilder ist nicht planlos, überhaupt ist hier nichts zu­fällig; jede Kleinigkeit hat ihre Bedeutung. Wenn man die entsprechenden Bi­belstellen zu jedem Bild liest, bemerkt man, wie genau sich der Maler an die Bi­belworte gehalten hat. Man kann den Inhalt jeder Szene eigentlich auf den ersten Blick erkennen. Der rote Faden ist im Grunde genommen bei den alltestamenta­rischen Bildern die Sünde der Menschen und die Strafe Gottes um dann mit den Darstellungen aus dem Neuen Testament zur Erlösung der Menschen durch Christus zu kommen. Die Reihe der Bilder beginnt an der Kanzel mit Adam und Evas Sünde und führt dann nach rechts, Richtung Ausgang. Das Bild über dem Ausgang ist hier zu überspringen, denn noch will man nicht hinaus, die biblische Geschichte geht weiter. Die Reihe der alttestamentarischen Bilder endet gegenüber der Kanzel. Dann geht es im Chorraum weiter mit dem Neuen Testament: Abendmahl und von da nach links, Kreuzigung, Begräbnis, Auferstehung, Himmelfahrt und nun kommt der Ausgang: Pfingsten, die Sendung des Heiligen Geistes, damit verläßt der Besucher die Kirche.

FIAB 4779
„Die kirchliche Organisation der Groß-bzw. Urpfarreien Salmünster und Unterreichenbach …“ von Josef
Leinweber in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 44, 1992, S. 85-102.
Dr. Ludwig Bickell, „Die Bau-und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel“, Band 1, Kreis Gelnhausen,
Marburg 1901.
Adolf Schmidt, Darmstadt: Johannes Hapff, ein unbekannter fuldischer Humanist um das Jahr 1500 in: Zeit-
schrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, 1934.
Wie 2)
Schauber/Schindler: Die Heiligen und Namenspatrone im Jahreslauf, 1985.
Zimmermann, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, Bamberg 1994.

Nach Edmund Spohr „Geschichte des Kirchspiels und der Kirche zu Unterreichenbach“ Völzberg 1959, Kap. VI. Die Kirche zu Untersotzbach.

wie 3)

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