Schwedenstein an den Sotzbacher Linden

Sogenannter „Schwedenstein“ bei den „Sotzbacher Linden“

Zusammengestellt von Peter Kauck

Steinmetzarbeit in rotem Sandstein, welche vom Stil her er noch der Gotik zuzuordnen sein dürfte.
Der Bildstock steht unter den „Sotzbacher Linden“, welche den Gerichtsort des ehemaligen Sotzbacher Landsiedelgerichts markieren.

Das Reichskloster Fulda verfügte im Gebiet des Gerichts Reichenbach über größeren Grundbesitz, welcher im 14. und 15. Jahrhundert in Landsiedelleihe an die Landsiedelleute, also Bauern, verpachtet wurde.
Das Landsiedelgericht war eine Dorfgerichtsbarkeit, welche die Rechtsverhältnisse der Landsiedelleute untereinander und zum Grundherrn, dem Reichskloster Fulda, regelte. Hier erfolgte  auch die in regelmäßigen Abständen stattfindende Neuvergabe der Landgüter bezw. Bauernstellen an die einzelnen Pächter.
Der jährlichen Gerichtstag musste in einem Zeitraum von 14 Tagen vor bis 14 Tage nach dem St. Martinstag (11. November) stattfinden. Der direkte Bezug zum Martinstag lässt deshalb an ein Bildnis des Heiligen Martin in dem Bildstock denken, was sich heute aber nicht mehr nachweisen lässt.

Eine schriftliche Nachricht liegt in Form des „Weistums der Landsiedel zu Sotzbach“ vor, datiert um das Jahr 1394.

Eine der alten, durch Pilzbefall geschädigten Linden musste 2004 aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden, danach wurden zwei neue Linden gepflanzt.

Weiterer Umgang mit dem Bildstock

Wahrscheinlich wurde der Bildstock in der Zeit der Reformation, vermutlich beim Wechsel von der lutherischen zur reformierten Richtung Ende des 16./ Anfang des 17. Jahrhunderts, in Folge eines denkbaren Bildersturms seines Bildnisses baubt und umgelegt (welchem Umstand er vermutlich seine Erhaltung verdankt) und geriet danach (geplant) in Vergessenheit. Die Beschädigung links könnte beim Entfernen des Bildnisses oder beim Umwerfen entstanden sein.

Seine Wiederaufrichtung erfolgte vielleicht Ende des 19. Jahrhunderts, als man sich wieder mehr mit der Heimatgeschichte befasste und sich an die Denkmäler der Vergangenheit erinnerte.

Die Sage

Es sind zahlreiche „Schwedensteine“ in verschiedenen Gegenden bekannt. Es gibt Denkmale, die zum Gedenken an König Gustav Adolf aufgestellt wurden, also mit Recht so bzeichnete Schwedensteine. Aber im Gegensatz dazu sind uns auch „Schwedensteine“ überliefert, die in keinem ursächlich Zusammenhang mit „Schweden“ stehen – wie unser Sotzbacher, so auch der Radmühler „Schwedenstein“, bei dem es sich ebenfalls um einen älteren Bildstock handelt.

Der Bezug zu „Schweden “ kam erst erst auf, nachdem der Bildstock seine eigentliche Bedeutung bereits verloren hatte. Es entstand nämlich nach dem Dreißigjährigen Krieg die volkstümliche Überlieferung bezw. Sage, dass König Gustav Adolf von Schweden auf Einladung des Grafen Wolfgang Heinrich zu Ysenburg nach Birstein zur Jagd kam und er bei seiner Rückkehr aus den Wäldern auf dem Stein ausruhte oder dass er bei seiner Abreise hier noch einmal saß und auf das Schloss zurückschaute.

Das Sitzen auf dem Stein legt ja nahe, dass er nicht mehr stand sondern flach umgelegt war, mit der Bildseite nach unten, so dass der ursprüngliche Zweck nicht mehr erkennbar war..

Geschichtliche Hintergründe

Hintergrund dieser Erzählung sind die Vorgänge in den Jahren 1631/32.

Die Isenburgische  Grafenfamilie hatte Birstein verlassen und ebenso Offenbach, das von nun bayerischen Truppen besetzt war.

Als die schwedische Armee im November 1631 auf Offenbach marschierte, fl.üchtete die bayerische Besatzung und Graf Wolfgang Heinrich kehrte in sein Schloß zurück. So konnte er am Abend des 15. November 1631 den König Gustav Adolf von Schweden in Offenbach als seinen Gast offiziell begrüßen, der hier für eine Nacht Quartier. nahm.

Graf Wolfgang Heinrich bot dem König seine militärischen Dienste an und übernahm die Verpflichtung, zwei Regimenter zu werben und den königlichen Diensten zuzuführen. König Gustav Adolf ernannte den Grafen zum Generalmajor der schwedischen Armee. Als solcher zog er mit dem schwedischen Heer an der Spitze seiner selbstgeworbenen Truppe nach Nürnberg. Dort erhielt er die Nachricht von der Geburt seiner Tochter. Beim feierlichen Gottesdienst im Offenbacher Schloß hob die schwedische Königin als Patin die kleine Isenburgerin aus der Taufe und gab ihr den Namen Maria Eleonore.

Diese recht engen, wenn auch kurzzeitigen familiäre Verbindungen lassen auch einen Jagdaufenthalt Gustav Adolfs in Birstein durchaus realistisch erscheinen.

Die Erzählung, dass der König auf dem Stein gesessen hat, dürfte eine Bestätigung dafür sein, dass der Stein tatsächlich lag und nicht mehr stand.

Auch wenn die tatsächlichen historischen Geschehnisse die Erzählung nicht zwingend beweisen können, so sind sie doch ein Hinweis auf den „wahren Kern“ der Sage.

Zweite bezw. jüngere Version der Sage vom Schwedensteine

Eine zweite, verfälschte Version der Sage vom Schwedenstein entstand durch Vermischung mit anderen Vorgängen aus späterer Zeit. Diese Version besagt, dass im Dreißigjährigen Krieg schwedische Soldaten einen Mann aus Udenhain an den Linden erschossen hätten und deshalb ein Gedenkstein für den Ermordeten an dieser Stelle errichtet worden sei.

Was war tatsächlich geschehen?

Der Mord

Im Herbst 1796 wurde ein junger Mann aus Udenhain an den Sotzbacher Linden von durchziehenden französischen Soldaten erschossen. Der Tathergang ist durch eine Eintragung im Hellsteiner Kirchenbuch überliefert:

… Dieser obgemeldte schreckliche Tag des 7. September war es auch, an welchem einer unserer edelsten und besten Jünglinge, namens Johann Seelig, des Johannes Seelig zu Udenhain ehelicher Sohn, ein unglückliches Opfer ihrer grenzenlosen Grausamkeit werden mußte. Er wurden von ihnen zwischen dem Schönhof und Sotzbach ergriffen, mit Stöckehieben vorerst mißhandelt, bis an die Sotzbacher Linde geführt und allda, soviel man hat erfahren können, mit zugebundenen Augen erschossen. Sein nach ihrem am 8. September erfolgten Abzug gefundener zerfleischter Leichnam wurde am 10. dito beerdigt, alt 25 Jahre.

Im Frühjahr 1796 bereitete die französische Republik einen großangelegten Zangenangriff gleich an drei Punkten gegen die kaiserlichen Stellungen vor: in Norditalien mit der Armee von Napoleon Bonaparte und am Rhein mit den beiden dortigen Armeen, der südlichen Rhein-Mosel-Armee unter General Moreau und die nördliche Sambre-Maas-Armee unter dem General Baptiste Jourdan. Während Bonaparte in Italien erfolgreich war, wurde die Sambre- Maas-Armee von der kaiserlichen Armee unter dem Oberbefehl des erst 25 Jahre alten Erzherzogs Karl von Österreich zum Rückzug gezwungen. Am 2. September wurden die Franzosen bei Würzburg vernichtend geschlagen. Am 7. September nun erreichten sie isen- burgisches Gebiet.

Es fing damit an, daß die Reiterreserve einen anderen Weg nehmen mußte. Sie war um 4 Uhr verteilt aufgebrochen und sollte sich in Birstein wieder vereinen. Dorthin aber kam die Nachricht, daß einige Kaiserliche mit einem starken Trupp von Bauern das Tal bis Hellstein heraufgekommen waren, einen Krankentransport überfallen und die Fuhrleute umgebracht hatten. Zur Verstärkung von Soldaten der Division Bernadotte, die wohl ebenfalls diesen Weg heraufkamen, wurde die Reiterreserve hierauf nach Hellstein umdirigiert und zersprengte dort den Haufen Bauern, der 12 Tote auf dem Feld ließ. Anschließend nahm die Reiterreserve bis 2 Uhr Nachmittags Position auf den Höhen über Hellstein und wurde dann nach Büdingen umgeleitet.5

Bei Erzählungen von Kriegszeiten in der weiter zurückliegenden Vergangenheit werden diese oftmals irrtümlich auf den DreißigjährigenKrieg bezogen, obwohl es auch danach noch zahlreiche Kriege gab, unter denen die Bevölkerung mehr oder weniger zu leiden hatte.

Gelnhäuser Neue Zeitung vom Freitag, 15.06.2007