Archiv der Kategorie: Geschichte

Die Fahne des Kriegervereins Sotzbach

In den Jahren nach dem deutsch französischen Krieg 1870/71 entstanden überall im Deutschen Reich Krieger- und Veteranenvereine. So fanden sich im Jahre 1885 auch die Kriegsteilnehmer aus Ober- und Untersotzbach zusammen, um den „Kriegerverein  Sotzbach“ zu gründen. In der Vorstandswahl am 16. Januar 1886 wurde der Förster Christian Jung II. aus Obersotzbach zum Vorsitzenden, Georg Weber zum Schriftführer und Peter Weber zum Kassierer gewählt. Vereinslokale waren die Gaststätte Hof in Obersotzbach und die Gaststätte Ritter in Untersotzbach. Christian Jung war gleichzeitig Vorsitzender des Gesangvereines Sotzbach, wodurch es sich ergab, dass über lange Jahre zahlreiche Veranstaltungen von beiden Vereinen gemeinsam durchgeführt wurden.

Ein wichtiger Tage im Jahr war für den Kriegerverein Kaisers Geburtstag am 27. Januar1, der allährlich festlich begangen wurde mit patriotischen Ansprachen von Bürgermeister, Lehrer oder Pfarrer, mit Lied- und Gedichtvorträgen der Schulkinder, mit Theateraufführungen durch die Mitglieder, mit geselligem Beisammensein und abendlichem Tanz. Weiterhin wurde der „Sedanstag“2 am 1. Sonntag im September gefeiert mit gemeinsamem Kirchgang nach Unterreichenbach, wo sich sämtliche Kriegervereine des Kirchspiels trafen. Bei den Feiern traten wiederum die Schulkinder auf, in Birstein gab es nachmittags sogar einen Krämermarkt und Rummelplatz mit Karussell und Schießbuden, der Gesangverein trat auf, vielerorts gab es wieder Theateraufführungen und abendliche Tanzvergnügen. Gelegenheiten, die gerne wahrgenommen wurden, um bis zum nächsten Morgen durchzufeiern. Natürlich musste der Kriegerverein bei der Beerdigung eines Kameraden antreten, es war den Einladungen benachbarter Kriegervereine Folge zu leisten und es wurde an den Veranstaltungen des Gesangvereines teilgenommen.

Das waren alles Veranstaltungen, bei denen die Vereinsfahne mitgeführt werden musste und man kann sich vorstellen, dass gerade ein Kriegerverein besonderen Wert auf eine Fahne legte. So hegte auch der Kriegerverein Sotzbach den Wunsch, eine Fahne zu besitzen. Daher wurden alle Mitglieder auf den 22. Juli 1888 zu einer Mitgliederversammlung in das Gasthaus Ritter nach Untersotzbach eingeladen, um über die Beschaffung einer Fahne zu beschließen.

Natürlich durfte eine solche Fahne nicht einfach angeschafft werden. Es mussten bestimmte, nachstehend aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sein, um überhaupt die Genehmigung zum Führen einer Fahne zu bekommen:

1.   Der Verein musste mindestens 30 Mitglieder haben.

2.   Die Statuten des Vereins mussten in Übereinstimmung mit den Satzungen des deutschen Kriegerbundes stehen.

3.   Die Pflege, Betätigung und Stärkung der Liebe und Treue für Kaiser und Reich war als Vereinszweck aufzuführen.

4.   Ebenfalls Vereinszweck war die Veranstaltung von kriegerischen Leichenfeiern für verstorbene Kameraden.

5.   Bei den Versammlungen des Vereins war jede Erörterung politischer und religiöser Angelegenheiten auszuschließen.

6.   Die Ernennung solcher Personen zu Ehrenmitgliedern des Vereins, welche nicht Soldat gewesen waren, war unstatthaft.

  • Das Führen einer Fahne musste beim Landrat beantragt und höheren Orts genehmigt werden.

Am 11. Dezember 1888 wurde der schriftliche Antrag beim königlichen Landratsamt in Gelnhausen eingereicht. Christian.Jung II., welcher hinter seine Unterschrift in Vereinsangelegenheiten gewöhnlich die Amtsbezeichnung „Vorsitzender“ setzte, verwendete in diesem Antrag aber die Amtsbezeichnung „Präsident“. Nun konnte das Genehmigungsverfahren beginnen und es gab noch einiges Hin und Her. So entsprach die vorgelegte Satzung nicht in allen Punkten der vorgeschriebenen Form und bedurfte verschiedenerm Änderungen. Diese Satzungsänderung musste in einer ordentlichen Mitgliederversammlungbeschlossen werden. Auch für dieFahnenbilder gab es genaue Vorgaben. Nachdem sich beim 1. Entwurf Beanstandungen ergaben, musste ein 2. Entwurf nachgereicht werden.

Mit Schreiben vom 28. Juni 1889 erteilte das Ministerium des Innern in Berlin dem Oberpräsidenten der Regierung in Kassel, Staatsminister Graf zu Eulenburg, die Weisung, dass dem „Kriegerverein zu Sotzbach im Kreise Gelnhausen“ die Genehmigung zum Führen einer Fahne zu erteilen sei. Staatsminister Graf zu Eulenburg, dessen Amt als Oberpräsident wohl am ehesten mit dem des heutigen Ministerpräsidenten zu vergleichen ist,  gab diese Verfügung an den Regierungspräsidenten des Regirungsbezirkes Kassel, Rothe, zur weiteren Veranlassung weiter. Das letzte Glied in der Kette war der königlich preußische Landrat in Gelnhausen, Freiherr Riedesel zu Eisenbach, welcher die lang ersehnte Nachricht an den „Präsidenten“ Christian Jung II. weiterleitete.

Ein weiteres Problem waren die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel, denn auch vor hundert Jahren war die Beschaffung einer gestickten Fahne aus Samt und Seide eine kostspielige Angelegenheit und überstieg bei weitem die Möglichkeiten des jungen Vereins. Aber die Veteranen waren nicht um Ideen verlegen und so beschlossen sie, ein entsprechend großes Stück Fahnentuch zu kaufen (natürlich billig) und dieses von einem Maler mit den entsprechenden Symbolen bemalen zu lassen. Das Vereinsmitglied Hofmann konnte den bekannten Maler der Wächtersbacher Keramikfabrik in Schlierbach, Christian Neureuther, dazu gewinnen, die Bemalung der Fahne zu übernehmen. Bekanntlich war Christian Neureuther gebürtiger Untersotzbacher, sein Geburtshaus war das Haus Nr. 1 (oberste Mühle). Eine Fahnenstange zu besorgen, war ebenfalls kein Problem, diese konnte der Vorsitzende, der von Beruf Förster war, aus dem Wald mitbringen und die notwendigen Beschläge waren nicht allzu teuer.

So lesen wir im Beschluss-Protokoll-Buch des Kriegervereins:

Untersotzbach, am 22. Juli 1888.

In der heutigen Generalversammlung, in welcher sämmtliche Mitglieder (mit Ausnahme Meyer & Ritter) erschienen waren stand auf der Tagesordnung die Anschaffung einer Fahne aus der Vereinskasse. Da sich der Maler Christian Neureuther zu Eisenhammer durch Vermittlung des Mitgliedes Hofmann bereit erklärt hatte die Fahne zu bemalen so werden die Anschaffungskosten sehr niedrig sein. Es wurde beschlossen, daß der Vorsitzende das Fahnentuch auf billigem Wege beschaffen soll. Ferner wurde beschlossen, daß den 9 Mitgliedern, welche zu dem am  24. Juni d.J. stattgehabten Trauergottesdienste in Unterreichenbach zu spät oder gar nicht auf dem Sammelplatze erschienen waren und welche dafür mit je 10 Pf den Statuten gemäß bestraft waren, diese Strafe zu erlassen resp. aufgehoben werden solle.

Der Vorstand des Kriegervereins Sotzbach Chr. Jung II., Vorsitzender

Georg Weber, Schriftführer“

„Obersotzbach, am 13. October 1888.

Nachdem der Vorsitzende das Fahnentuch aus der Fahnenfabrik von Karl Schulze zu Gießen beschafft hatte, so wurde in der auf heute Abend anberaumten Generalversammlung darüber beschlossen, welche Zeichen und Inschriften auf die Fahne zu setzen sei. Auf der einen Seite der Fahne soll die Germania mit einem Lorbeerkranz umgeben, auf der anderen Seite der preußische Adler mit halbrunder Ueberschrift „Kriegerverein Sotzbach“ und halbrunder Unterschrift „Gegründet 1885“ angebracht werden. Des Weitern wegen Genehmigung dieser Fahne sei vom Vorstande zu veranlassen.

Der Vorstand des Kriegervereins Sotzbach.

Chr. Jung II, Vorsitzender

Georg Weber, Schriftführer“

„Obersotzbach, am 19. Januar 1889.

In der auf heute Abend 6 Uhr anberaumten Generalversammlung, in welcher sämmtliche Mitglieder, mit Ausnahme Hofmann & Ritter, welche entschuldigt waren – anwesend waren, wurde die vom Kassirer vorgelegte Rechnung vom Vorstande und Ausschusse geprüft und für richtig befunden und wird demselben decharge ertheilt. Wilhelm Michel und Heinrich Pfannmüller werden zu Mitgliedern aufgenommen. Außerdem ist vom Königlichen Landrathsamte durch Verfügung vom 10. Januar, d.J. eine Aenderung der Statuten bestimmt worden, es wurde unter Zustimmung sämmtlicher anwesender Mitglieder diese Änderung beschlossen und sollen die Statuten nach Fertigstellung vom Vorstande in der Sitzung am 27. Januar d.J. zur Unterzeichnung der Mitglieder vorgelegt werden.
Der Vorstand des Kriegervereins Sotzbach.

Chr. Jung II., Vorsitzender Georg

Weber, Schriftführer“

„Obersotzbach, am 27. Januar 1889.

Nachdem die Mitglieder in der auf heute Abend 7 Uhr anberaumten Generalversammlung erschienen waren, wurden die nach den neuen Bestimmungen, vom Vorstande angefertigten Statuten zur Unterzeichnung vorgelegt. Dieselben wurden im Allgemeinen und generellen für richtig befunden und somit von den Mitgliedern unterschrieben. Da inzwischen die Fahne soweit fertig war, daß eine Einweihung derselben stattfinden konnte, so wurde zunächst über diesen Punkt berathen, da die Hälfte der Mitglieder die Einweihung vor Ostern die andere Hälfte aber nach Ostern haben wollten so entschied das Loos auf den 3. März, auch über den Ort, wo dieselbe stattfinden sollte, konnte  eine Einigung nicht herbeigeführt  werden und mußte ebenfalls das Loos entscheiden und entschied dasselbe für Untersotzbach. Zur Feier selbst wurde beschlossen von einer größeren Einweihungsfeierlichkeit abzusehen und dieselbe im engsten Kreise stattfinden zu lassen. Zunächst sollte die Fahne beim Vorstande abgeholt und durch die Jungfrauen beider Sotzbachs auf dem Schulhofe dem Verein übergeben werden. Herr Pfarrer Fritsch aus Unterreichenbach soll ersucht werden die Festrede zu halten, alsdann soll sich der Verein in die Wirthschaft von G. Ritter begeben und bis zum Abend kammeradschaftlich unterhalten, mit einem darauffolgenden Ball soll die Feier endigen.   

Zum Fahnenträger wurde das Mitglied Georg Weber und zu dessen Stellvertretern: Johannes Schmidt und Peter Hof bestimmt. Die Fahne wird beim Vorstande aufbewahrt.

Der Vorstand des Kriegervereins Sotzbach.

Chr. Jung II.

Georg Weber“

„Nachtrag, die Einweihungsfeierlichkeiten selbst betreffend.

Nachdem der Verein am Sonntag dem 3. März Nachmittags 2 Uhr auf dem Schulhofe zu Untersotzbach Aufstellung genommen hatte, setzte sich der Musikchor an die Spitze um mit klingendem Spiele, die Fahne beim Vorstande abzuholen, da angekommen nahmen die Jungfrauen beider Sotzbachs dieselbe in ihre mit einer Guirlande umgebende Mitte und wurde alsdann in einem strammen Marsche nach Untersotzbach marschiert. Auf dem Schulhofe angekommen, intonierte das Musikchor, „Deutschland, Deutschland über Alles“, worauf die Schuljugend ein patriotisches Volkslied sang; hierauf übergab Fräulein Margarethe Michel aus Untersotzbach im Namen sämmtlicher anwesenden Jungfrauen dem Vorstande die Fahne und bemerkte in warmen Worten was die Fahne dem Verein sein und wie sie in Ehren gehalten und getragen werden soll; der Vorstand dankte im Namen des Vereins, worauf Pfarrer Fritsch aus Unterreichenbach eine ergreifende Festrede hielt, derselbe schilderte mit treffenden Worten die hohe Bedeutung des Vereins und die Aufgabe desselben, namentlich wenn er seine unbemittelten Mitglieder in Krankheits- und Todesfällen zu unterstützen gedenke. Nachdem das Musikchor noch ein Lied intoniert hatte, setzte sich der Zug mit fliegender Fahne und klingendem Spiel in Bewegung und marschierte in die Wirthschaft von Ritter. Hier angekommen, erschienen kurze Zeit darauf die geladenen Gäste: Herr Pfarrer Fritsch, Herr Lehrer Möller u. Schöner, Herr Bürgermeister Michel & Wagner, Herr Maler Chr. Neureuther und Familie u. a. m. Und ließ man sich den frischen Schoppen trefflich munden. Inzwischen hatte sich das Musikchor im Saale placiert und die Klänge rauschten durch den Saal. Zur Ehre einzelner alter Mitglieder sei hier noch gesagt, daß dieselben kaum erwarten konnten bis die Tanzmusik ihren Anfang nahm um ihre durch die Strapatzen des Feldzuges hart mitgenommenen Beine in Bewegung zu setzen. So verlief die Einweihung ohne jeden Zwischenfall sehr harmonisch, bis ein jeder gegen Morgens 5 Uhr vielleicht mit etwas wackelnden Knieen und in rosiger Stimmung seine Familie aufsuchte. Dieser Tag wird bei allen Mitgliedern in gutem Andenken bleiben.“

(Aus dem Beschluß-Protokoll-Buch des Kriegervereins Sotzbach.)

Die Fahne wurde beim jeweiligen Vorsitzenden aufbewahrt. Der Kriegerverein Sotzbach war noch bis in die 1930er Jahre hinein aktiv. Beispielsweise wurde bei Beerdigungen von Mitgliedern bezw. Veteranen die Fahne mitgeführt und Salut geschossen. Während des 2. Weltkrieges ist die Fahne in Vergessenheit geraten. Ob die Fahne sich noch auf einem Dachboden befindet oder einfach entsorgt wurde, ist nicht bekannt. Bei Kriegsende 1945 wurden mancherorts Fahnen von amerikanischen Soldaten als Souvenir mitgenommen.

Artikel von Peter Kauck

_________________

1     Kaiser Wilhelm II. wurde am 27. lanuar 1859 in Potsdam geboren.

2    Am „Sedanstag“ wurde der kriegsentscheidenden Schlacht bei Sedan gedacht, als die französische Hauptarmee unter General Mac Mahon am 2. September 1870 kapitulierte, wobei auch Kaiser Napoleon III. in Gefangenschaft geriet.

Da die Fahnenentwürfe auch direkt mit Chistian Neureuther verbunden sind, hier auch einige Links zu Christian Neureuther (der übrigens in Untersotzbach geboren wurde):

https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Neureuther_(Keramiker)

https://www.quittenbaum.de/de/kuenstler/neureuther-christian-6717

https://jugendstilforum.de/waechtersbach-geometrie-und-ornament/

Schwedenstein an den Sotzbacher Linden

Sogenannter „Schwedenstein“ bei den „Sotzbacher Linden“

Zusammengestellt von Peter Kauck

Steinmetzarbeit in rotem Sandstein, welche vom Stil her er noch der Gotik zuzuordnen sein dürfte.
Der Bildstock steht unter den „Sotzbacher Linden“, welche den Gerichtsort des ehemaligen Sotzbacher Landsiedelgerichts markieren.

Das Reichskloster Fulda verfügte im Gebiet des Gerichts Reichenbach über größeren Grundbesitz, welcher im 14. und 15. Jahrhundert in Landsiedelleihe an die Landsiedelleute, also Bauern, verpachtet wurde.
Das Landsiedelgericht war eine Dorfgerichtsbarkeit, welche die Rechtsverhältnisse der Landsiedelleute untereinander und zum Grundherrn, dem Reichskloster Fulda, regelte. Hier erfolgte  auch die in regelmäßigen Abständen stattfindende Neuvergabe der Landgüter bezw. Bauernstellen an die einzelnen Pächter.
Der jährlichen Gerichtstag musste in einem Zeitraum von 14 Tagen vor bis 14 Tage nach dem St. Martinstag (11. November) stattfinden. Der direkte Bezug zum Martinstag lässt deshalb an ein Bildnis des Heiligen Martin in dem Bildstock denken, was sich heute aber nicht mehr nachweisen lässt.

Eine schriftliche Nachricht liegt in Form des „Weistums der Landsiedel zu Sotzbach“ vor, datiert um das Jahr 1394.

Eine der alten, durch Pilzbefall geschädigten Linden musste 2004 aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden, danach wurden zwei neue Linden gepflanzt.

Weiterer Umgang mit dem Bildstock

Wahrscheinlich wurde der Bildstock in der Zeit der Reformation, vermutlich beim Wechsel von der lutherischen zur reformierten Richtung Ende des 16./ Anfang des 17. Jahrhunderts, in Folge eines denkbaren Bildersturms seines Bildnisses baubt und umgelegt (welchem Umstand er vermutlich seine Erhaltung verdankt) und geriet danach (geplant) in Vergessenheit. Die Beschädigung links könnte beim Entfernen des Bildnisses oder beim Umwerfen entstanden sein.

Seine Wiederaufrichtung erfolgte vielleicht Ende des 19. Jahrhunderts, als man sich wieder mehr mit der Heimatgeschichte befasste und sich an die Denkmäler der Vergangenheit erinnerte.

Die Sage

Es sind zahlreiche „Schwedensteine“ in verschiedenen Gegenden bekannt. Es gibt Denkmale, die zum Gedenken an König Gustav Adolf aufgestellt wurden, also mit Recht so bzeichnete Schwedensteine. Aber im Gegensatz dazu sind uns auch „Schwedensteine“ überliefert, die in keinem ursächlich Zusammenhang mit „Schweden“ stehen – wie unser Sotzbacher, so auch der Radmühler „Schwedenstein“, bei dem es sich ebenfalls um einen älteren Bildstock handelt.

Der Bezug zu „Schweden “ kam erst erst auf, nachdem der Bildstock seine eigentliche Bedeutung bereits verloren hatte. Es entstand nämlich nach dem Dreißigjährigen Krieg die volkstümliche Überlieferung bezw. Sage, dass König Gustav Adolf von Schweden auf Einladung des Grafen Wolfgang Heinrich zu Ysenburg nach Birstein zur Jagd kam und er bei seiner Rückkehr aus den Wäldern auf dem Stein ausruhte oder dass er bei seiner Abreise hier noch einmal saß und auf das Schloss zurückschaute.

Das Sitzen auf dem Stein legt ja nahe, dass er nicht mehr stand sondern flach umgelegt war, mit der Bildseite nach unten, so dass der ursprüngliche Zweck nicht mehr erkennbar war..

Geschichtliche Hintergründe

Hintergrund dieser Erzählung sind die Vorgänge in den Jahren 1631/32.

Die Isenburgische  Grafenfamilie hatte Birstein verlassen und ebenso Offenbach, das von nun bayerischen Truppen besetzt war.

Als die schwedische Armee im November 1631 auf Offenbach marschierte, fl.üchtete die bayerische Besatzung und Graf Wolfgang Heinrich kehrte in sein Schloß zurück. So konnte er am Abend des 15. November 1631 den König Gustav Adolf von Schweden in Offenbach als seinen Gast offiziell begrüßen, der hier für eine Nacht Quartier. nahm.

Graf Wolfgang Heinrich bot dem König seine militärischen Dienste an und übernahm die Verpflichtung, zwei Regimenter zu werben und den königlichen Diensten zuzuführen. König Gustav Adolf ernannte den Grafen zum Generalmajor der schwedischen Armee. Als solcher zog er mit dem schwedischen Heer an der Spitze seiner selbstgeworbenen Truppe nach Nürnberg. Dort erhielt er die Nachricht von der Geburt seiner Tochter. Beim feierlichen Gottesdienst im Offenbacher Schloß hob die schwedische Königin als Patin die kleine Isenburgerin aus der Taufe und gab ihr den Namen Maria Eleonore.

Diese recht engen, wenn auch kurzzeitigen familiäre Verbindungen lassen auch einen Jagdaufenthalt Gustav Adolfs in Birstein durchaus realistisch erscheinen.

Die Erzählung, dass der König auf dem Stein gesessen hat, dürfte eine Bestätigung dafür sein, dass der Stein tatsächlich lag und nicht mehr stand.

Auch wenn die tatsächlichen historischen Geschehnisse die Erzählung nicht zwingend beweisen können, so sind sie doch ein Hinweis auf den „wahren Kern“ der Sage.

Zweite bezw. jüngere Version der Sage vom Schwedensteine

Eine zweite, verfälschte Version der Sage vom Schwedenstein entstand durch Vermischung mit anderen Vorgängen aus späterer Zeit. Diese Version besagt, dass im Dreißigjährigen Krieg schwedische Soldaten einen Mann aus Udenhain an den Linden erschossen hätten und deshalb ein Gedenkstein für den Ermordeten an dieser Stelle errichtet worden sei.

Was war tatsächlich geschehen?

Der Mord

Im Herbst 1796 wurde ein junger Mann aus Udenhain an den Sotzbacher Linden von durchziehenden französischen Soldaten erschossen. Der Tathergang ist durch eine Eintragung im Hellsteiner Kirchenbuch überliefert:

… Dieser obgemeldte schreckliche Tag des 7. September war es auch, an welchem einer unserer edelsten und besten Jünglinge, namens Johann Seelig, des Johannes Seelig zu Udenhain ehelicher Sohn, ein unglückliches Opfer ihrer grenzenlosen Grausamkeit werden mußte. Er wurden von ihnen zwischen dem Schönhof und Sotzbach ergriffen, mit Stöckehieben vorerst mißhandelt, bis an die Sotzbacher Linde geführt und allda, soviel man hat erfahren können, mit zugebundenen Augen erschossen. Sein nach ihrem am 8. September erfolgten Abzug gefundener zerfleischter Leichnam wurde am 10. dito beerdigt, alt 25 Jahre.

Im Frühjahr 1796 bereitete die französische Republik einen großangelegten Zangenangriff gleich an drei Punkten gegen die kaiserlichen Stellungen vor: in Norditalien mit der Armee von Napoleon Bonaparte und am Rhein mit den beiden dortigen Armeen, der südlichen Rhein-Mosel-Armee unter General Moreau und die nördliche Sambre-Maas-Armee unter dem General Baptiste Jourdan. Während Bonaparte in Italien erfolgreich war, wurde die Sambre- Maas-Armee von der kaiserlichen Armee unter dem Oberbefehl des erst 25 Jahre alten Erzherzogs Karl von Österreich zum Rückzug gezwungen. Am 2. September wurden die Franzosen bei Würzburg vernichtend geschlagen. Am 7. September nun erreichten sie isen- burgisches Gebiet.

Es fing damit an, daß die Reiterreserve einen anderen Weg nehmen mußte. Sie war um 4 Uhr verteilt aufgebrochen und sollte sich in Birstein wieder vereinen. Dorthin aber kam die Nachricht, daß einige Kaiserliche mit einem starken Trupp von Bauern das Tal bis Hellstein heraufgekommen waren, einen Krankentransport überfallen und die Fuhrleute umgebracht hatten. Zur Verstärkung von Soldaten der Division Bernadotte, die wohl ebenfalls diesen Weg heraufkamen, wurde die Reiterreserve hierauf nach Hellstein umdirigiert und zersprengte dort den Haufen Bauern, der 12 Tote auf dem Feld ließ. Anschließend nahm die Reiterreserve bis 2 Uhr Nachmittags Position auf den Höhen über Hellstein und wurde dann nach Büdingen umgeleitet.5

Bei Erzählungen von Kriegszeiten in der weiter zurückliegenden Vergangenheit werden diese oftmals irrtümlich auf den DreißigjährigenKrieg bezogen, obwohl es auch danach noch zahlreiche Kriege gab, unter denen die Bevölkerung mehr oder weniger zu leiden hatte.

Gelnhäuser Neue Zeitung vom Freitag, 15.06.2007